2_ GH008
Hungersuppe
Zubereitung
1| Butter in einer Pfanne erhitzen. Hafer, Mais und Reis zur Butter geben und andünsten.
2| Pfanne von der Herdplatte nehmen und einen Liter Wasser unter Rühren langsam dazugiessen. Die Suppe unter Rühren aufkochen. Salz und Gewürze beigeben. Die Suppe während 2-3 Stunden zugedeckt leicht köcheln lassen.
3| Während dem Kochprozess ab und zu mit einer Kelle umrühren, damit das Getreide nicht am Pfannenboden anhaftet und anbrennt. Wird die Suppe zu dick, so kann mit Wasser ergänzt werden.
4| Die Suppe mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken.
5| Brot, in kleine Stücke geschnitten, vor dem Schöpfen in die Suppe geben
Zutaten
15g |
Butterfett, Bratbutter |
50g | Hafergrütze |
50g |
Reis |
50g |
Maisgriess |
7g | Salz |
3Prisen | Pfeffer, gemahlen |
3Prisen | Muskat.gemahlen |
30g | Brot |
Erkundungen über Suppen während der Hungersnot im Aargau 1845
ESSEN IM HUNGERLAND. ARMUT UND NOT IM RUEDERTAL 1850
Wenn sich eine Familie im Ruedertal 1854 am Tisch mit Wasser, Räben oder Baumschwämmen und Salz begnügen musste, gab es keinen Grund, ein Rezept dazu aufzuschreiben. Es war ein trauriges Zusammenfinden für ein Essen aus nichts! Es sind keine Rezepte aus dieser Zeit der Not im Ruedertal überliefert worden.
Ein Suppenrezept wurde jedoch 1847 vom Pfarrer von Tegerfelden an die aargauische Armenkommission weitergegeben. Als Sozialmassnahme wurden in Notzeiten im Kanton Aargau Suppenküchen errichtet. Dazu diente zum Beispiel ein Wäschehäuschen mit seiner Feuerstelle und den grossen Kesseln. Die bedürftigen Leute konnten bei diesen Institutionen am Mittag und am Abend je die Hälfte ihrer zugesprochenen Tagesportion abholen.
Das Rezept von 1847 beschreibt, dass Hafer, Reis und Mais zu gleichen Teilen mit Wasser, Salz und Butter während 3 Stunden gekocht werden. Durch diese lange Kochzeit quillt die Stärke der drei Getreidesorten vollständig auf und es entsteht am Ende der Kochzeit ein Brei. Eine dichtere und festere Speise wird sättigender empfunden als eine flüssige Suppe. 1847 war eine Zeit, in der es galt, aus wenig viel zu machen.
Über mehrere Stunden gekochte Getreide sind heute noch bekannt aus den Diätvorschriften von Bircher Benner als Haferschleimsuppe. Aus der asiatischen Ernährung ist Reis-Congee populär, auch ein Porridge ist dieser Speise von 1847 ähnlich. Die Sparsuppe, wie sie in Suppenküchen abgegeben wurde, ist durchwegs eine gute Basis für eine gesunde, leicht verdauliche Ernährung. So wie wir sie heute in unserer Zeit des Übergewichtes gut als eine der drei täglichen Mahlzeiten auftischen könnten.
1847 wurde pro Person 1 Liter Suppe mit 719 kcal als Tagesportion abgegeben, dies deckte nicht die Hälfte der Energie eines erwachsenen Menschen. Notwendig wäre gut die doppelte Suppenportion gewesen, wenn nicht noch mit eigener Nahrung ergänzt werden konnte.
Manchmal hatten die Haushalte einen kleinen Gemüsegarten oder einen Pflanzplätz, wo Räben, Rüebli, Mangold, Kürbisse oder Bohnen angepflanzt wurden. Mangold und Kabis wurden auch milchsauer vergoren, um die Haltbarkeit zu verlängern. Bohnen und Früchte, wenn vorhanden, wurden gedörrt. Mit dem Gemüse und den Früchten konnte die Getreidesuppe bereichert werden.
In fruchtbaren Jahren gedieh die Ackerfrucht, so wurde das Getreide genannt, im Aargau vorzüglich. Es wurden die Brotgetreide Korn (heute Dinkel), Weizen und Roggen angebaut. Seltener waren Einkorn und Emmer auf den Feldern anzutreffen. Hafer und Gerste wurde in allen einfachen Haushalten täglich zu Grütze und Suppe gekocht.
Warum wurde aus dem regionalen Anbau nur der Hafer in der Sparsuppe verwendet? In Notzeiten waren oft auch Missernten zu beklagen, es hatte deswegen zu wenig vom einheimischen Getreide vorrätig.
Aus diesem Mangel wurde Mais und Reis in Notzeiten vom Kanton an die Gemeinden günstig abgegeben. Mais wurde deshalb auch «Regierungsmais» genannt. Der Hunger war für den Regierungsrat jede Woche ein Thema. Es bedurfte eines Regierungsratsbeschlusses, um fehlendes Getreide und Hülsenfürchte aus Südrussland oder Ägypten importieren zu können.
In der Zeitspanne von 1847-60 verbesserten sich die Importmöglichkeiten von Lebensmitteln dank des Bahnnetzes, welches sich in dieser Zeit entwickelte. Es entstanden in dieser Zeit auch in Aarau Handelshäuser für den Import und den Verkauf von Waren.
Um den Geschmack einer Speise kann man sich erst kümmern, wenn der Hunger einigermassen gestillt ist. Im Sparsuppenrezept sind Hafer und Butter aromagebend. Als eine mögliche kleine Luxuszutat sind im Rezept Gewürze aufgeführt. Diese verursachen nur Kosten und liefern keine Kalorien. Gewürze wurden in den Bürger- und Patrizierhäusern zur selben Zeit in der Küche vorwiegend für Gebäcke reichlich verwendet. Populär waren Pfeffer und Muskat, ich habe deshalb diese zwei als Suppengewürze gewählt.
Kartoffeln spielten ab 1856, nach einem Jahrzehnt von Kartoffelmissernten, zunehmend eine wichtige Rolle. Die Ernährung mit den heimischen Getreidesorten wurde mit den Jahren immer mehr durch die Kartoffel verdrängt. Die Getreidevielfalt verarmte zugunsten des ertragreicheren Weizens. Die Industrialisierung der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion nahm ihren Lauf.
Wir stehen heute vor der Aufgabe, unsere Ernährung weniger durch ökonomische Engpässe einzuschränken, als an die ökologischen Bedingungen anzupassen.
Die regionalen Urgetreide wie Dinkel, Einkorn, Emmer, Gerste und Hafer gewinnen wieder an Bedeutung. Diese pflanzlichen Nahrungsmittel mit 60% Kohlenhydraten, 15% Eiweiss, Keimölen und Mineralstoffen weisen nebst den guten Nährstoffen auch eine ideale Ökobilanz aus.
Das beigelegte Rezept der Armensuppe kann mit ein paar Anpassungen an unsere veränderten Essgewohnheiten heute wieder gekocht werden. Diese Getreidesuppe eignet sich gut zum Vorkochen und als Verpflegung am Arbeitsplatz.
Wie aus der Suppe von 1847 eine Suppe für unsere Zeit wird:
• Nur eine Getreidesorte verwenden: z.B. Hafergrütze, Grünkern, Rollgerste, Rolldinkel (Kornotto). • Die Hälfte der Getreidemenge durch Linsen ersetzen. • Kochzeit auf 40 Minuten verkürzen. • Flüssigkeitsmenge kann annähernd verdoppelt werden oder die Getreidemenge kann reduziert werden • Kleingeschnittene Saisongemüse mitkochen. • Kräuter beifügen. • Suppe mit geriebenem Käse bestreuen. Susanne Vögeli
Literatur: Ursula Maurer «Hungerland – Armut und wirtschaftliche Not im Ruedertal um 1850» das Buch ist 2019 im Verlag «Hier und Jetzt» erschienen.
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